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Politik und Spiritualität

Einige wichtige Personen und Texte die unsere Arbeit und unseren Glauben inspirieren : In Alphabetischerreihenfolge: Dom Helder Camara, Paulo Freire, Eduardo Galeano, Katakombenpakt, Karoline Mayer, Leonidas Proano, Samuel Ruiz, Dorothee Sölle


Dom Helder Camara


(Bild: Antonisse, Marcel / Anefo - [1] Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989, Nummer toegang 2.24.01.05 Bestanddeelnummer 931-7341)

Geboren am 7. Februar 1909 im Fortaleza, Nord-Ost-Brasilien, einer der wichtigsten Zeitzeugen für Frieden und Gerechtigkeit, gründete die ersten kirchlichen Basisgemeinden in Brasilien. Er war ein unermüdlicher Kämpfer für die Menschenrechte und ein Leben in Würde für die Armen. Weltweit prangerte der die Folterer und Mörder der Militärdiktatur in seinem Land in den Jahren 1964-85 an und wurde für die Friedensbewegung und die Befreiungstheologie auch in Europa zu einem Zeichen der Hoffnung. Er war einer der ganz großen Gestalten der Christenheit unserer Zeit. Er starb am 27. August 1999 in Recife.

Hier ein Text aus seinem kleinen Meditationsbuch „Mach aus mir einen Regenbogen“.

„Stimmt es, dass Du den Regenbogen als Zeichen des Friedens

Und der Verbindung zu den Menschen verstanden hast?

Dann schaffe am Himmel ein solch mächtiges Zeichen, dass es das

Gewissen der Völker erschüttert und sie dahin führt,

den offensichtlichen Irrsinn der Kriege und der Missbildung einer

winzigen Welt der Reichen zu sehen, die umschlossen und durchdrungen

von den Wassern des Elends sind.“


Paulo Freire

 

Paulo Freire war ein bedeutsamer Pädagoge der Befreiung aus Brasilien. Sein Lebenswerk ist der Versuch, durch Volksbildung (Educacion Popular) einen Beitrag zur Befreiung der Unterdrückten zu leisten.

In den 1960er und 1970er Jahren kämpfte er als Lehrer für Gerechtigkeit und Solidarität und damit gegen Unterdrückung. Er war Teil einer breiten Befreiungsbewegung, einer Volksbewegung, die das bestehende Wirtschaftssystem radikal kritisierte: erst durch die Befreiung vom Kapitalismus, von einem System, das Gewinn und Egoismus verherrlicht, ist eine andere Welt möglich. In Basisinitiativen, in der Kirche, in Gewerkschaften und Parteien fielen diese Ideen auf fruchtbaren Boden.

Sein Kontext in Lateinamerikas: 1964 übernahm die Armee in Brasilien mit einem Militärputsch die Macht. Freire muss für 16 Jahre ins Exil. Er geht zunächst nach Chile, wo dann 1973 mit Unterstützung der US-Regierung geputscht wird und er das Land verlassen musste. Seine Methode wird in Nicaragua unter den SandinistInnen angewandt. Die LehrerInnen, die seine Methoden anwenden, werden systematisch von Contras ermordet, die von der US-Regierung Reagan finanziert wurden. Große Sympathien hatte Freire auch für Grenada und deren friedliche Revolution. Auch diese Revolution fällt 1985 einer US-Invasion zum Opfer. In der katholischen Kirche fällt Paulo Freires Methode später in Ungnade, weil der Papst allerorten konservative Bischöfe ernennt. Kurz, mit einer breit angelegten politischen Strategie der Unterdrückung gelang es gelungen, die Befreiungsbewegungen zu besiegen.

Später hat Paulo Freire seine Methode mit Unterstützung des Weltrates der Kirchen in Genf in einigen Ländern Afrikas umgesetzt. Das Denken Paulo Freires geriet in Vergessenheit. Auch deswegen waren die 1990er Jahre ein Tiefpunkt für all diejenigen, die an Gesellschaftsveränderung interessiert sind. Entwicklung wurde erneut als ein friedlicher und harmonischer Prozess missverstanden, bei dem die Peripherie sich langsam dem Zentrum annähere. Die Ergebnisse dieser harmonischen Entwicklung sind bekannt: 1,1 Milliarden Menschen leben von weniger als einem US-Dollar täglich, 831 Millionen hungern, über 36 Millionen Menschen jährlich verhungern oder sterben an den Folgen von Unterernährung. (United Nations Development Programme (Hg.): Human Development Report 2004. Cultural Liberty in Today's Diverse World. New York, NY, 2004, S. 129, United Nations Rapporteur on the Right to Food: http://www.righttofood.org/.1) Entwicklung für alle ist das uneingelöste Versprechen des 20. Jahrhunderts.)

Die Verbindung von Theorie und Praxis ist das zentrale Moment seiner Befreiungspädagogik. Jede Praxis von Menschen, die gemeinsam etwas verändern wollen, setzt ein gemeinsames Verständnis und ein gemeinsames Wissen über die Welt voraus. Paulo Freire, der eine Praxis der Freiheit einfordert, betont gerade deshalb die Notwendigkeit von Theorien.

 "Wie der Unterdrücker eine Theorie der unterdrückerischen Aktion braucht, um zu unterdrücken, so brauchen die Unterdrückten, um frei zu werden, ebenfalls eine Aktionstheorie." (Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit. Reinbek bei Hamburg, 1984 [1970], S. 157). Forschen ist für ihn  die Anstrengung, die Welt zu verstehen, geleitet vom Bemühen dazu beizutragen, der Unterentwicklung ein Ende zu machen, Freiheit für alle zu ermöglichen.

Paulo Freire verkörpert den engagierten Intellektuellen, der Denken und Lernen für ein großes Ziel miteinander verbindet: dem immer neuen "Auszug aus dem Status Quo" (Ernst Lange: Einführung. In: Freire 1984, S. 9-23, S. 23.3). Seine Methode der Bewusstseinsbildung (conscientizacao) zielte darauf, „die Welt lesen zu lernen“. Von diesem Zugang kann sowohl etwas über das Lernen als auch über das Forschen gelernt werden.

„Bildung erlangen bedeutet mehr als psychologisch und mechanisch die Lese- und Schreibtechniken zu beherrschen.  Es bedeutet vielmehr, diese Techniken mit Bewusstsein zu beherrschen; zu verstehen, was man liest, und zu schreiben was man versteht; es bedeutet, graphisch zu kommunizieren. Bildung besteht nicht darin, Sätze, Wörter  oder Silben – leblose Gegenstände ohne zu Beziehung zum existentiellen Universum - zu wiederholen, sondern sie ist eine schöpferische Haltung, eine Selbstveränderung, die zur Intervention in den eigenen Kontext führt.

Daher ist es für die Rolle des Erziehzers fundamental, mit den Analphabeten  in einen Dialog über konkrete Situationen einzutreten und ihm ganz schlicht die Instrumente anzubieten, mit denen er sich selbst Lesen und Schreiben beibringen kann. Dieses Lehren kann nicht von oben nach unten geschehen, sondern nur von innen nach außen durch den Analphabeten selbst in Zusammenarbeit mit dem Erzieher“. Paulo Freire entwickelte eine Methode, „die ebenso Instrument des Lernenden wie des Lehrers sein konnte und die den Lehrinhalt mit dem Lernprozess identifiziert.“ (P. Freire: Erziehung als Praxis der Freiheit. Beispiele der Pädagogik der Unterdrückten, Reinbeck bei Hamburg 1977, S. 53).

Für Freire ist Forschen kein Privileg weniger Wissender, sondern Grundeigenschaft aller Menschen. Die selbstkritische Reflexion der eigenen Praxis ist immer auch eine Form der Erforschung des eigenen Tuns und der Welt, in der wir agieren. Zu Erfahrungswissen gelangen nicht diejenigen, die im stillen Kämmerchen sitzen, sondern diejenigen, die das Wechselspiel von Subjekt und Welt "erforschen".

Die politische Bildungsprogramme Paulo Freires sind vielfach bekämpft und von oben abgeschafft worden. Paulo Freires Ideen sind politisch besiegt worden, doch sie gewinnen gerade dann wieder an Kraft, wenn klar wird, dass die gesellschaftliche Dynamik in die falsche Richtung geht: Wenn Solidarität und Gerechtigkeit im offiziellen Diskurs keine Rolle mehr spielen, wenn die Kluft zwischen arm und reich, oben und unten immer mehr auseinanderklafft, dann wird Befreiung wieder ein wichtiges Konzept. Die letzten 20 Jahre waren nicht nur in der politischen Entwicklung eine Periode des Rückschritts, auch in der Wissenschaft ist zu beobachten, dass diese immer offener in den Dienst der vorherrschenden Interessen gestellt wird. Paulo Freire hat diesen „falschen Weg“ gemieden, indem sein Denken immer politisch war und immer eine Reflexion über eine Praxis darstellte, die nach Wegen der Befreiung suchte. Deshalb sind die vielen politischen Niederlagen, die er erleiden musste, kein Zeichen seiner Irrelevanz, sondern im Gegenteil Beweis dafür, dass Volksbildung etwas bewegt.

In unserem Partnerprojekt in Lima – Comas (ISP „Paulo Freire“) wird seit einigen Jahren  seine  Konzeption der befreienden Pädagogik in der Lehrerausbildung Perus umgesetzt.


Eduardo Galeano und die offenen Adern Lateinamerikas


Eduardo Galeano (1940-2015)  Schriftsteller, Poet und Publizist aus Uruguay (geb. Montevideo) schrieb in seinem Hauptwerk “Die offenen Adern Lateinamerikas“ eine Geschichte der wirtschaftlichen Ausbeutung des Subkontinents von Kolumbus bis zur Gegenwart. Dieses Buch aus dem Jahre 1971 hat bis heute eine wichtige Bedeutung auch für unsere Arbeit als Kommission Solidarität Eine Welt mit unseren Partnern in Lateinamerika. Es geht um eine Perspektive und eine Geschichte der Ausgegrenzten der Sprachlosen. Galeanos Werke sind eine stetige Absage an die offizielle Geschichtsschreibung. „Solange die Löwen nicht ihre eigenen Historiker haben, werden die Jagdgeschichten weiterhin den Jäger verherrlichen“.

Während der Militärdiktaturen wurde sein Werk verboten und er musste 1973 ins Exil zunächst nach Argentinien später nach Spanien. Dazu schrieb Galeano in seinem Vorwort Sieben Jahre Später in einer Neuauflage: „die wichtigsten Kommentare zu diesem Buch [stammen] nicht aus der Feder irgendwelcher anerkannter Literaturkritiker, sondern von den Militärdiktaturen, die es lobten, indem sie es verboten. So durften „die offenen Adern“ weder in meinem Land noch in Chile verkauft werden, und in Argentinien wurde das Buch im Fernsehen und in der Presse als korrupt und jugendgefährdend verrissen.“

"Fünf Minuten starrte ich auf ein Blatt Papier und suchte nach Worten über Frieden. In diesen fünf Minuten wurden fünf Millionen Dollar für Rüstung ausgegeben.Hundertfünfzig Kinder sind am Hunger gestorben - oder an heilbaren Krankheiten.In diesen fünf Minuten meiner Zweifel gab die Welt fünf Millionen Dollar für Rüstung aus, dafür sind 150 Kinder ermordet worden,unter völliger Straflosigkeit für die Täter in diesem Krieg der Kriege.In diesem leisen, in diesem nicht deklarierten Krieg, der von vielen Frieden genannt wird. Was kann ich dann sagen, ohne den wirklichen Frieden zu beleidigen?"


Katakombenpakt

Der sogenannte Katakombenpakt ist ein Gelübde von etwa 40 Bischöfen, das diese am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 in Rom getroffen haben.  Es handelt sich um 40 Bischöfe insbesondere aus den sogenannten Ländern der „Dritten Welt“ aber auch aus Italien, Deutschland, Frankreich und Belgien. Sie verpflichteten sich feierlich am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einer neuen Weise Kirche zu leben und als Bischöfe in der Kirche zu dienen. Sie wählten als Ort dieser Selbstverpflichtung die Katakomben von Domitilla außerhalb Roms. Diese größten und eindrucksvollsten Katakomben Roms beherbergen auch die Gräber von Christen (Märtyrer) während der Christenverfolgung durch die römischen Machthaber. Der Katakombenpakt steht beispielhaft für den Aufbruch zu einer „Kirche der Armen“, wie sie schon Papst Johannes XXIII auf dem Konzil angemahnt hat.  Auf dem Konzil selbst hat diese „Kirche der Armen“ nur als Inspiration und Traum eine Rolle gespielt. Erst später wurde sie in den Aufbrüchen und Entwürfen der Kirche Lateinamerikas und ihrer Theologie der Befreiung wirkmächtig. Bis heute warten wir darauf, dass sich immer mehr Bischöfe und Christen aus allen Ländern der Welt an diesen Selbstverpflichtungen ein Beispiel nehmen. Zum damaligen Weihbischof von Bologna, Bischof Luigi-Betazzi besteht ein enger Kontakt mit pax christi-Gruppen aus der Diözese Würzburg.

Hier der Text des Katakombenpaktes:

Als Bischöfe,

  • die sich zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelt haben;
  • die sich dessen bewusst geworden sind, wie viel ihnen noch fehlt, um ein dem Evangelium entsprechendes Leben in Armut zu führen;
  • die sich gegenseitig darin bestärkt haben, gemeinsam zu handeln, um Eigenbrötelei und Selbstgerechtigkeit zu vermeiden;
  • die sich eins wissen mit all ihren Brüdern im Bischofsamt;
  • die vor allem aber darauf vertrauen, durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sowie durch das Gebet der Gläubigen und Priester unserer Diözesen bestärkt zu werden;
  • die in Denken und Beten vor die Heilige Dreifaltigkeit, vor die Kirche Christi, vor die Priester und Gläubigen unserer Diözesen hintreten;

nehmen wir in Demut und der eigenen Schwachheit bewusst, aber auch mit aller Entschiedenheit und all der Kraft, die Gottes Gnade uns zukommen lassen will, die folgenden Verpflichtungen auf uns:

  1. Wir werden uns bemühen, so zu leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel und allem, was sich daraus ergibt (vgl. Mt 5,3; 6,33-34; 8,20).
  2. Wir verzichten ein für allemal darauf, als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein, insbesondere in unserer Amtskleidung (teure Stoffe, auffallende Farben) und in unseren Amtsinsignien, die nicht aus kostbarem Metall – weder Gold noch Silber – gemacht sein dürfen, sondern wahrhaft und wirklich dem Evangelium entsprechen müssen (Vgl. Mk 6,9; Mt 10,9; Apg 3,6).
  3. Wir werden weder Immobilien oder Mobiliar besitzen noch mit eigenem Namen über Bankkonten verfügen; und alles, was an Besitz notwendig sein sollte, auf den Namen der Diözese bzw. der sozialen oder caritativen Werke überschreiben (vgl. Mt 6,19-21; Lk 12,33-34).
  4. Wir werden, wann immer dies möglich ist, die Finanz- und Vermögensverwaltung unserer Diözesen in die Hände einer Kommission von Laien legen, die sich ihrer apostolischen Sendung bewusst und fachkundig sind, damit wir Apostel und Hirten statt Verwalter sein können (vgl. Mt 10,8; Apg. 6,1-7).
  5. Wir lehnen es ab, mündlich oder schriftlich mit Titeln oder Bezeichnungen angesprochen zu werden, in denen gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck gebracht werden (Eminenz, Exzellenz, Monsignore…). Stattdessen wollen wir als “Padre” angesprochen werden, eine Bezeichnung, die dem Evangelium enstpricht.
  6. Wir werden in unserem Verhalten und in unseren gesellschaftlichen Beziehungen jeden Eindruck vermeiden, der den Anschein erwecken könnte, wir würden Reiche und Mächtige privilegiert, vorrangig oder bevorzugt behandeln (z.B. bei Gottesdiensten und bei gesellscchaftlichen Zusammenkünften, als Gäste oder Gastgeber) (Lk 13, 12-14; 1 Kor 9,14-19).
  7. Ebenso werden wir es vermeiden, irgendjemandes Eitelkeit zu schmeicheln oder ihr gar Vorschub zu leisten, wenn es darum geht, für Spenden zu danken, um Spenden zu bitten oder aus irgendeinem anderen Grund. Wir werden unsere Gläubigen darum bitten, ihre Spendengaben als üblichen Bestandteil in Gottesdienst, Apostolat und sozialer Tätigkeit anzusehen ( (Vgl. Mt 6, 2-4; Lk 15,9-13; 2 Kor 12,4).
  8. Für den apostolisch-pastoralen Dienst an den wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten oder Unterentwickelten werden wir alles zu Verfügung stellen, was notwendig ist an Zeit, Gedanken und Überlegungen, Mitempfinden oder materiellen Mitteln, ohne dadurch anderen Menschen und Gruppen in der Diözese zu schaden.
    Alle Laien, Ordensleute, Diakone und Priester, die der Herr dazu ruft, ihr Leben und ihre Arbeit mit den Armgehaltenen und Arbeitern zu teilen und so das Evangelium zu verkünden, werden wir unterstützen. (vgl. Lk 4,18f.; Mk 6,4; Mt 11,45; Apg 18,3-4; 20,33-35; 1 Kor 4,12; 9,1-27)
  9. Im Bewusstsein der Verpflichtung zu Gerechtigkeit und Liebe sowie ihres Zusammenhangs werden wir daran gehen, die Werke der “Wohltätigkeit” in soziale Werke umzuwandeln, die sich auf Gerechtigkeit und Liebe gründen und alle Frauen und Männer gleichermaßen im Blick haben. Damit wollen wir den zuständigen staatlichen Stellen einen bescheidenen Dienst erweisen (Vgl. Mt 25, 31-46; Lk 13,12-14 und 33f.)
  10. Wir werden alles dafür tun, dass die Verantwortlichen unserer Regierung und unserer öffentlichen Dienste solche Gesetze, Strukturen und gesellschaftlichen Institutionen schaffen und wirksam werden lassen, die für Gerechtigkeit, Gleichheit und gesamtmenschliche harmonische Entwicklung jedes Menschen und aller Menschen notwendig sind. Dadurch soll eine neue Gesellschaftsordnung entstehen, die der Würde der Menschen- und Gotteskinder entspricht (Vgl. Apg 2,44f; 4,32-35; 5,4; 2 Kor 8 und 9; 1 Tim 5,16).
  11. Weil die Kollegialität der Bischöfe dann dem Evangelium am besten entspricht, wenn sie sich gemeinschaftlich im Dienst an der Mehrheit der Menschen – zwei Drittel der Menschheit – verwirklicht, die körperlich, kulturell und moralisch im Elend leben, verpflichten wir uns:• Gemeinsam mit den Episkopaten der armen Nationen dringliche Projekte zu verwirklichen, entsprechend unseren Möglichkeiten.
    • Auch auf der Ebene der internationalen Organisationen das Evangelium zu bezeugen, wie es Papst Paul VI. vor den Vereinten Nationen tat, und gemeinsam dafür einzutreten, dass wirtschaftliche und kulturelle Strukturen geschaffen werden, die der verarmten Mehrheit der Menschen einen Ausweg aus dem Elend ermöglichen, statt in einer immer reicher werdenden Welt ganze Nationen verarmen zu lassen.
  12. In pastoraler Liebe verpflichten wir uns, das Leben mit unseren Geschwistern in Christus zu teilen, mit allen Priestern, Ordensleuten und Laien, damit unser Amt ein wirklicher Dienst werde. In diesem Sinne werden wir gemeinsam mit ihnen “unser Leben ständig kritisch prüfen”;
    • sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen, so dass wir vom Heiligen Geist inspirierte Animateure werden, statt Chefs nach Art dieser Welt zu sein.
    • uns darum mühen, menschlich präsent, offen und zugänglich zu werden.
    • uns allen Menschen gegenüber offen erweisen, gleich welcher Religion sie sein mögen (vgl. Mk 8,34f.; Apg 6,1-7; 1 Tim 3,8-10.
  13. Nach der Rückkehr in unsere Diözesen, werden wir unseren Diözesanen diese Verpflichtungen bekanntmachen und sie darum bitten, uns durch ihr Verständnis, ihre Mitarbeit und ihr Gebet behilflich zu sein.

Gott helfe uns, unseren Vorsätzen treu zu bleiben.

Übersetzung aus dem Spanischen: Norbert Arntz


Karoline Mayer

Die deutsche Schwester Karoline Mayer aus Eichstätt lebt und arbeitet unter den Armen der chilenischen Hauptstadt Santiago. In den Jahren der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet begann sie die soziale Arbeit mit ausgegrenzten Gruppen in der chilenischen Gesellschaft. Die Ordensschwester aus dem bayerischen Eichstätt galt zu Pinochets Zeiten als "Marxistin", weil sie für soziale Gerechtigkeit gekämpft hatte und während der Regierungszeit Salvador Allendes den Sozialisten nahe gestanden war. Ihre Arbeit wird geprägt vom Lukasevangelium:

"...den Armen die frohe Botschaft, den Gefangenen Befreiung und den Blinden das Augenlicht zu verkünden und die Gequälten in die Freiheit zu entlassen" (Lk 4,18).

Mit diesem "Programm" ist es Schwester Karoline seit Beginn der 70er Jahre gelungen, Tausenden von Menschen in den Armenvierteln Santiagos Brot, Kleidung, Arbeit, eine menschenwürdige Wohnung, Schutz vor Verfolgung, ärztliche Hilfe, eine Berufsausbildung und Hoffnung für die Zukunft zu geben.

1968 war Karoline Mayer als junge Steyler Missionarin nach Chile gekommen. Damals stellten die Christdemokraten unter Eduardo Frei die Regierung. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung in der chilenischen Gesellschaft. Bis auf einen Teil der konservativen Oberschicht waren alle der Meinung, es müsse etwas geschehen, um den ungerechten Gegensatz zwischen Arm und Reich zu überbrücken und die Ausbeutung der Armen zu beenden.

Schwester Karoline studierte an der Universität von Santiago Medizin. Sie wollte Ärztin werden. Der Orden aber war dagegen und so machte sie ihren Abschluss als Universitätskrankenschwester. Die Steyler Schwestern unterhielten mehrere Schulen und leiteten ein großes Krankenhaus in Santiago. Schwester Karoline aber zog es zu den Armen, zur untersten Schicht in der chilenischen Klassengesellschaft. Wer ihr angehörte, konnte sich weder Schulbildung noch eine Behandlung im Krankenhaus leisten. Diese Umorientierung der Ordensarbeit fand in Chile auch durch mehrere andere Orden in gleicher Weise statt: z.B. die Jesuiten, der Orden de los „Sacrados Coraciones“, mit denen sie in der „Vicaria de Solidaridat“ in der Militärdiktatur zur Wahrung der Menschenrechte zusammenarbeitete und die Befreiungstheologie in den Basisgemeinden entwickelte  und aufbaute.

Karoline Mayer betätigte sich aktiv im Widerstand gegen die Militärdiktatur von General Augusto Pinochet. Sie versteckte viele Regimegegner oder verhalf ihnen zur Flucht ins Ausland. Sie erhielt dafür zahlreiche Morddrohungen und wurde einmal verhaftet. Mit ihrer Arbeit hat sich Karoline Mayer viele Feinde gemacht. Für den Militärführer Augusto Pinochet, der das Land von 1973 bis 1990 regierte, war sie eine Kommunistin. Laut Geheimdienstdokumenten hat Frau Pinochet Schwester Karoline Mayer beim Innenminister angezeigt, weil sie ihr soziales Engagement als störend empfand. Mehrmals wurde die Nonne festgenommen und verhört. Auf Intervention des Erzbischofs und aus diplomatischen Kreisen wurde sie jedoch wieder freigelassen.

Erst viel später hat ihr das Land Chile eine Anerkennung ausgesprochen: Seit 2001 ist sie Ehrenbürgerin des Landes. "Als hätte Chile etwas gutzumachen bei mir", sagte sie.

Karoline Mayer wurde für ihre gemeinnützige Entwicklungshilfe vielfach ausgezeichnet. In Deutschland waren dies:

 1994: Shalom-Preis der Katholischen Universität Eichstätt

 1997: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse

 2001: Augustin-Bea-Preis

 2001: Chilenische Staatsbürgerschaft ehrenhalber

 2005: Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg

 2008: Kardinal-Frings-Medaille des Katholisch-Sozialen Instituts

 2009: Edith-Stein-Preis

 2013: Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung (Förderpreis),

Die Vita von Karoline Mayer ist ein lebendiges Beispiel für das Eintreten für die sozialen Menschenrechte und ist in diesem Sinne ein Beispiel für fundamentale Friedensarbeit.  "Ich habe gelernt, von den Nöten der Leute auszugehen", sagt Schwester Karoline, " und dass die Hilfe nicht für die Leute, sondern zusammen mit ihnen erfolgen muss, in dem Maße, in dem sie sie mittragen können." So versuchte sie als nächstes, zusammen mit mehreren Müttern etwas gegen die Unterernährung der Kinder zu tun. Sie ging mit den Frauen zu den Supermärkten, die damals noch keine großen Kühlräume hatten und sammelte alles, was bis zum Abend nicht verkauft war: Obst, Gemüse, Fleisch. Länger haltbare Lebensmittel wie Mehl, Käse, Öl, Haferflocken steuerte die Caritas bei. Mit diesen Mitteln kochten die Frauen jeden Tag eine warme Mahlzeit für 50 und mehr Kinder. Daraus entstanden 13 Volksküchen für die Armen.

In den 70er-Jahren lernte Karoline einen französischen Missionar kennen, der sich in der gleichen Siedlung niedergelassen hatte und der mit den Leuten im kleinen Kreis das Evangelium zu lesen begann. Er nannte das "Basisgemeinde" und lud Schwester Karoline ein, daran teilzunehmen. "Er benutzte eine windschiefe Hütte", erzählt die Schwester, "drinnen ein paar Kisten und Stühle. Zehn, zwölf Menschen sitzen um einen Tisch, jeder hat ein kleines Evangelium in der Hand. Sie lesen eine Bibelstelle und lesen sie ein zweites Mal. Und dann denken sie darüber nach, was das mit ihnen, mit ihrem Leben zu tun hat. Und das Schöne ist, dass die Leute wirklich die frohe Botschaft in ihrem Leben entdecken. Das Gleichnis vom Unkraut im Acker sagt ihnen beispielsweise, du brauchst nicht unbedingt perfekt zu sein, aber steh zu deinem Unkraut und verstecke es nicht. Nach und nach wirst du sehen, wie der himmlische Vater dir hilft, es auszureißen."

Sie erfuhr, wie die Armen die frohe Botschaft in ihrem Leben entdeckten und machte diese Erfahrung zum Eckfeiler ihrer praktischen Missionsarbeit mit den Armen und Ausgegrenzten.

Sie gründete das Berufsbildungszentrum "Clotario Blest" und dazu die Frauenwerkstätten. Sie sind lebendige Einrichtungen für die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens am Stadtrand von Santiago de Chile.

Aus den Anfängen, der Suppenküche und den Basisgemeinden, ist nach und nach ein großes Sozialwerk entstanden, aus dem nach dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 die "Fundación Cristo Vive" wurde. Dazu gehören heute Kindergärten, Frauenwerkstätten, ein Gesundheitszentrum, ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige und das Berufsbildungszentrum "Clotario Blest", in dem jährlich etwa 600 Jugendliche als Mechaniker, Schweißer, Installateure, Bau- und Möbelschreiner, Zimmerleute, Gärtner und Elektriker ausgebildet werden.

Vorbild für dieses Ausbildungszentrum ist die (deutsche) Berufsfachschule. Eine geregelte Ausbildung für Handwerker gibt es in ganz Chile nicht. Deshalb ist dieses Modell einzigartig. Finanziert wird es heute zu zwei Dritteln vom chilenischen Staat und zu einem Drittel von der Regierung in Luxemburg und weiteren Spendern.

 Im "Prisma de los Andes", einem Ausbildungszentrum für unabhängige Frauenwerkstätten, lernen junge Frauen innerhalb von drei Jahren ein Kunsthandwerk. In 14 Werkstätten können sie anschließend die erworbenen Kenntnisse anwenden, Teppiche knüpfen und Schmuck oder andere kunsthandwerkliche Produkte herstellen, die in "Eine-Welt-Läden" unter anderem in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz verkauft werden.

 Diese kostenlose medizinische Grundversorgung ist nicht schlechter als die in den Polikliniken der Reichen. Neben Allgemeinmedizin gibt es auch zahnmedizinische und augenärztliche Versorgung, Psychotherapie, Gesundheitsberatung, Mütterberatung, Beratung für die Familienplanung und Hilfe bei sozialen Notfällen. Und was in Chile nicht üblich ist: Die Ärzte des Consultorios machen auch Hausbesuche. In einer Kranken- und Altenpflegeschule werden 40 junge Leute ausgebildet. Für jeden eingeschriebenen Patienten erhält das Gesundheitszentrum 500 Pesos (ca. 2 DM) im Monat vom Staat. Das Dreieinhalbfache muss die Fundación über Spenden finanzieren.

Neben dem Berufsbildungszentrum ist 1999 das Rehabilitationszentrum "Talitakum" für junge Drogenabhängige entstanden. Bereits während des Baus sind die künftigen Mitarbeiter als Therapeuten ausgebildet worden.

Die Betreuung und frühe Förderung der Kinder aus den Armenvierteln ist ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit in der „Fundación Cristo Vive“. Zwei große Kindertagesstätten für jeweils 300 Kinder ab drei Monaten und eine Grundschule mit Tagesbetreuung gehören ebenso zu der Stiftung wie ein Zentrum für 30 behinderte Kinder und Jugendliche.

Geistiger Mittelpunkt sind die beiden kirchlichen Basisgemeinden "Cristo Vive" (Christus lebt) und "Jesus Sol Naciente" (Jesus, die aufgehende Sonne), in denen das religiöse Leben wiederum von vielfältigen sozialen Aktivitäten begleitet wird: einer Behindertengruppe, Anonyme Alkoholikern, einem Zentrum für 70 Kinder aus sozial gefährdeten Familien und einem anderen für drogenabhängige Jugendliche. Dazu gibt es Rechtsberatung und Verteidigung, Patenschaften für bedürftige Familien und eine Reihe weiterer gemeinnütziger Initiativen. Der Kindergarten "Naciente" entstand bereits 1973 und wurde von Lehrern der deutschen Schule in Santiago mit errichtet. Die alten Holzbaracken wurden 2004 durch einen modernen Neubau ersetzt.

Schwester Karoline, die die Fundación Cristo Vive ins Leben gerufen hat, wohnt heute zusammen mit ihrer chilenischen Mitschwester Maruja in einem kleinen Häuschen im Armenviertel Quinta Bella. Sie wird als „Mutter Teresa Lateinamerikas“ benannt. Zusammen mit der Journalistin Angela Krumpen wurde 2015 ein Buch veröffentlicht („Jeder trägt einen Traum im Herzen“, Herder Verlag Freiburg), in dem beschrieben wird, wie man Großes bewegen kann, wenn man nur zutiefst vom Sinn seines Tuns überzeugt ist.

Mit ihrer Mitschwester Maruaja hat sie im Mai 1999 die "Fundacion Cristo Vive Bolivia" gegründet. In Bolivien begann das Sozialwerk mit einem Gesundheitsprojekt für die Bewohner unzugänglicher Bergdörfer, einem Alphabetisierungsprogramm für Erwachsene, einem Internat für Indiokinder und einem Betreuungsprogramm für Untersuchungs- und Strafgefangene und deren Familien. Eine weitere Gründung erfolgte wenig später in Cusco-Peru, zunächst mit einem Frauenzentrum. Im Aufbau sind zurzeit Berufsbildungszentren in Cochabamba und Cusco, vorwiegend für marginalisierte Jugendlichen und Frauen.

 

Leonidas Proaño

 

Bischof Leonidas Proaño gilt als einer der wesentlichen Vertreter und Begründer der Befreiungstheologie in Lateinamerika. Er war der erste Theologe, der bereits 1963 von einer „christlichen Befreiung“ sprach, noch bevor der Peruaner Gustavo Gutierrez 1969 der Bewegung den Namen „Theologie der Befreiung“ geben sollte. Dieser Bischof von Riobamba, hat sich wie kein anderer für die Würde der Indios in Ecuador eingesetzt und wird nicht nur in Ecuador sehr verehrt. Er genießt über die Landesgrenzen hinweg viel Beachtung und Ansehen. Neben dem Bischof von Talca, Manuel Larrain, gilt er als lateinamerikanischer Initiator und Impulsgeber für das 2. Vatikanischen Konzils und für CELAM (lateinamerikanische Bischofskonferenz) mit der Umsetzung der sozialen Arbeit der Kirche.

Proaño war nicht nur der Ortsbischof der Kirche vom versteckten und vergessenen Riobamba in Ecuador, er war ein Bischof von Format, Konzilsvater, Synodale der Bischofsversammlungen von Medellin und Puebla, Bischof der Indiopastoral und der pastorale Bischof des CELAM, des lateinamerikanischen Bischofsrates. Ein umfangreicher  schriftlicher Nachlass der - im (Archiv „Proaño im Fondo Documenal Diocesano de Riobambamba“  im) Dokumentationszentrum der Diözese Riobamba“ aufbewahrt wird, belegt sein befreiungstheologisches Engagement, sein Leben und Denken, sowie seine Spiritualität, die  internationale und gesamtkirchliche Bedeutung haben. Unsere Kommission „Solidarität Eine Welt“  hat die Buchpublikation von seiner Arbeit im Bereich der Pastoral in den indigenen Gemeinden in zwei Bänden betreut und mitgetragen, weil sie uns, unseren Partnerorganisationen und der indigenen Bevölkerung wichtige Orientierung gibt.


Samuel Ruiz García, Bischof von Chiapas/Mexico (1924-2011)

Die indigene Bevölkerung hat mich verändert“ – Leitwort in seiner Option für die Armen

Durch Übernahme der Diözese 1959 und  seine Erkundungsreisen in der Region, deckte der Bischof  brutale Herrschaftsstrukturen wie Leibeigenschaft und Unterdrückung in Chiapas auf, d.h.  die Menschenverachtung weißer, christlich geprägter Großgrundbesitzer über die ansässigen indigenen Ethnien, die im ihnen aufgezwungenen Elend versankenVerstört und empört hierüber, wandelte sich Samuel Ruiz zum „Verteidiger der Rechte indigener Völker“.

 Er forderte  Unteilbarkeit der Menschenrechte,  Selbstbestimmung und Anerkennung  kultureller Vielfalt auch für diese Völker,  gründete Schulen und Seminare und bestärkte die Indigenen, für  ihre Rechte zu kämpfen. Eine seiner Aussagen lautete: „Ich wollte den Indigenen das Evangelium bringen, wurde  aber von ihnen evangelisiert und lernte durch sie,  im „Kollektiv“ zu entscheiden – d.h. mit den Augen der Armen.“

1988 gründete er das Menschenrechtszentrum FRAYBA in San Cristóbal/Chiapas.

Mit seiner sozialkritischen Position für die Armen und  seiner Anklage wirtschaftspolitischer Ausbeutung der indigenen Bevölkerung,  schaffte sich der Bischof nicht nur Anerkennung sondern auch Feinde im Vatikan und  in Regierungskreisen; Zuspitzung erfolgte nochmal durch sein Vermittlungsangebot 1994 zwischen der aufständischen EZLN (zapatistische Armee der nationalen Befreiung) und Regierungsvertretern und mit Abschluss des Abkommens von San Andrés (Verteilung von Land an die Zapatisten u.a.). 2004 gab er einen Hirtenbrief heraus der lautete „Eine neue Stunde der Gnade ist angebrochen“, 10 Jahre nach der Verlautbarung von Papst Johannes Paul II unter dem gleichen Titel..

Bis zuletzt debattierte Don Samuel, oder wie ihn die Menschen in Chiapas mit Respekt nannten „Tatic Samuel“ (Väterchen), die Rechte der Indigenen auch auf internationalen Foren. 

Sein Nachfolger ist der Bischof Raúl Vera Lopez von Saltillo.


Dorothee Sölle

 

Dorothee Sölle (1929-2003) war eine evangelische Theologin, die sich gegen eine Allmachtsvorstellung Gottes stellte. Sie glaubte nicht daran, dass Gott alle Probleme in der Welt richten werde. Aus diesem Grund sei es wichtig selbst aktiv zu werden um gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt vorzugehen.

In ihren Texten verknüpft sie theologische Inhalte mit Erfahrungen von Benachteiligung, von Armut und von Leid. Theologie und Politik waren für Dorothee Sölle immer eng miteinander verknüpft. So engagierte sie sich für Frauenrechte und den Frieden in der Welt, auch in Lateinamerika. Reisen nach Nicaragua und El Salvador erweckten ihr Interesse an der lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Auf ihren Reisen solidarisierte sie sich mit den Armen und Benachteiligten. dieser Länder. Dabei erkannte sie, dass es wichtig ist, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und der Bibel nach um Befreiung zu kämpfen und dass nicht alles von Gott vorherbestimmt ist. Dieser Gedanke prägte sie sie in ihrem Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit und Sicherung des Friedens in der Welt.

Dorothee Sölle (1985): "Was ich eigentlich möchte ist, die Bibel weiterschreiben. Die Bibel ist so gut, dass selbst 2000 Jahre Kirchengeschichte und eine evangelische Kirche, wie wir sie heute haben, sie nicht kaputt bekommt. Die ist so stark. Sie spricht auf jeder Seite von den Armen. Man kann das Buch nicht lesen und darüber wegsehen und nur an den Reichen interessiert sein, das geht nicht"."

 „Ohne soziale Gerechtigkeit, ohne Recht kein Frieden.

Der Maßstab ist nach Aussage der Prophetinnen und Propheten das Recht der Rechtlosen, etwa der Witwen und Waisen, die keinen männlichen Fürsprecher haben.

Die unterste Klasse wird zum Maßstab des Wohlergehens aller gemacht. Die am meisten entrechtet sind, am wenigsten zu sagen haben, die nicht nur kein Geld haben, sondern auch keine FürsprecherInnen, keine Beziehungen, die nicht einmal mit den Behörden umgehen können, weil sie nicht wissen, worauf sie Anspruch haben – sie sind der Maßstab, an dem gemessen wird, was eigentlich Gerechtigkeit ist.

Die Ausgegrenzten, die RandsiedlerInnen, die an der untersten Sprosse der Leiter einer Gesellschaft stehen, werden „erhöht“, die Hohen „erniedrigt“, damit eine „ebene Bahn für Gott“ entsteht (Jesaja 40,3).

Außenpolitik und Innenpolitik werden hier nicht getrennt, als ob man sich außenpolitisch unterwerfend, imperialistisch, aufrüstend verhalten und zugleich innenpolitisch Ruhe und Ordnung erhalten könne!“

Ein Klagegebet (Aus einem Ökumenischen Gottesdienst beim Aachener Katholikentag 1986)

Gott unsere Mutter

an den Wasserflüssen Babylons sitzen unsere Freunde und weinen
Verschleppte, Vertriebene, Flüchtlinge, die wir Asylanten nennen,
die die Spuren der Angst und des Leidens
und des Heimwehs an ihrem Körper tragen
sitzen sie bei uns in Babylon
wo wir die Türme in den Himmel bauen
und die Tiefflieger aufheulen lassen
zwischen Himmel und Erde
sitzen sie und weinen

Gott unser Vater

auch wir sind nicht ganz zuhause hier in Babylon
zwischen unseren Atomfabriken und Atombomben und Atomherren
auch wir weinen wenn wir an Zion denken
Deine Stadt voller Brunnen mit unverseuchtem Wasser
und voller Gerechtigkeit
auch wir hängen unsere Harfen in den Wind
weil wir nicht singen mögen
nicht Deutschland über alles und nicht
Kein schöner Land kommt über unsre Lippen

Gott unser Bruder

du hast die Traurigkeit gekannt
du hast Angst gehabt wie jeder von uns
sogar deine Freunde haben dir Angst gemacht sogar
deine Familie und dein Land
das besetzt war wie unsres
hat dir Angst gemacht
und deine Kirchen haben dir keinen Schutz geboten

Gott du Geist des Mutes

gib, daß wir unsre Traurigkeit leben
ohne aufzuhören dich zu lieben
gib, daß wir mitten in Babylon
die Brunnen lebendigen Wassers suchen
und laß uns nicht verdursten
nach Gerechtigkeit

Gott du Geist der Wahrheit

laß uns ein Stück Gerechtigkeit leben
daß wir die Armen, die uns um eine Wasserleitung bitten
nicht fortschicken
daß wir die Wahrheit sagen wo die Lüge sich breit macht
daß wir denen helfen, die unsre Herren mit Krieg überziehen

Gott meine Schwester

ich weiß nicht ob du mir meine Traurigkeit wegnehmen willst
sie ist so alt wie ich selber
aber ich weiß, daß du die Trauer der anderen
denen das Land genommen wird und die Kinder
mit mir teilen willst

Gib uns ihren Durst nach Gerechtigkeit

und laß uns alle nicht verdursten.

Dorothee Sölle